Kreativität und Krankheit
Depressionen, Persönlichkeitsstörungen, Manie – verschiedenste anerkannte psychische Krankheiten finden sich nachgewiesenermaßen auffällig häufig unter kreativen und sensiblen Personen. Oftmals sind diese Personen in irgendeiner Form Kunstschaffende: Musiker, Schriftsteller, Schauspieler, Tänzer oder eben Maler. Statistisch gesehen haben Künstler ein überdurchschnittliches Risiko, von einer seelischen Krankheit betroffen zu sein.
Genie und Wahnsinn
Die sprichwörtlichen Genie und Wahnsinn treffen also tatsächlich oft zusammen. Die Gründe dafür sind vielseitig und interessant: zum einen lässt sich der Zusammenhang von psychischer Krankheit und Kreativität neurologisch erklären. So fanden Forscher im Laufe des 20. und 21. Jahrhunderts durch zahlreiche Studien und Analysen heraus, dass bestimmte Gene, die für außerordentliche Kreativität sorgen, ebenfalls eine instabile psychische Gesundheit beeinflussen.
Darüber hinaus fehlt es den Betroffenen bei vielen mentalen Krankheitsbildern an neurologischen Filterfunktionen, das heißt sie nehmen Emotionen sowie Situationen und erlebte Ereignisse intensiver und direkter wahr, ohne gewisse Grenzen im Denken wie bei gesunden Menschen. Dies führt in kranken Phasen zu intensiver Inspiration und unbegrenzter Vorstellungskraft. Es liegt nahe, dass diese Kombination aus natürlichem Talent, genetischen Faktoren und umfangreicher Fantasie zu Denkmustern und künstlerischen Ausdrucksformen führt, die sich bei psychisch gesunden Menschen im Vergleich eher selten einstellen.
Künstler als Außenseiter
Dennoch dürfen die negativen Aspekte von psychischen Krankheiten nicht aus den Augen gelassen werden, wenn man sich die Biografien und das soziale Umfeld vieler berühmter Künstler ansieht. Die exzentrische Lebensführung, die Verwirrtheit und Antriebslosigkeit in melancholischen Episoden sowie gerade die überbordende Vorstellungskraft vieler psychisch Kranken wurde und wird gesellschaftlich nicht gut aufgenommen oder verstanden.
Viele Merkmale von beispielsweise Depressionen, einer bipolaren Störung oder Schizophrenie stoßen gesunde Menschen ab, sie fühlen sich überfordert und nicht ausreichend zu Unterstützung in der Lage. Das Klischee des einsamen, seelisch zerrissenen Künstlers liegt also nicht so fern von der Wahrheit. In vergangenen Jahrhunderten war der aufgeklärte, medizinisch informierte Umgang mit psychisch auffälligen und instabilen Persönlichkeiten geradezu undenkbar. Wenn nicht in einer psychiatrischen Klinik, befand sich der verrückte Künstler daher meist in sozialer Isolation und sah sich mit Ablehnung von Familie und Öffentlichkeit konfrontiert. Daraus resultierte oft ein Leben in verarmten Verhältnissen, was der psychischen Gesundheit noch zusätzlich schadete und die Betroffenen erst recht an die Außenränder der Gesellschaft drängte.
Moderner Umgang
Wenn diese Persönlichkeiten dann Jahrzehnte oder Jahrhunderte nach ihrer Lebenszeit die entsprechende Anerkennung und Bewunderung für ihre Werke erhalten, wird dies oft vergessen. Aus heutiger Sicht und mit unserem medizinischen Wissensstand muss also unbedingt berücksichtigt werden, welches Leid derartige Krankheiten hervorrufen können. Neben all den Vorteilen hinsichtlich Kreativität, Sensibilität und Ausdruck sind psychische Krankheiten immer noch in erster Linie eine persönliche und soziale Tortur für viele der Betroffenen. Auffällige Motive oder Themen in den Kunstwerken sollten also immer sorgfältig betrachtet und hinterfragt werden, um die Künstler angemessen respektieren und gegebenenfalls behandeln zu können.